Presse

DIE RHEINPFALZ — NR. 160 

MITTWOCH, 13.  JUL I 2011

 

 

Wodka-Suff ist keine russische Tradition

 

 

GERMERSHEIM: „Die Russen trinken alle“ lautet ein gängiges Vorurteil. Stimmt nicht, sagt der russische Psychologe Nikolai Fomitschow. Im Gespräch mit der RHEINPFALZ spricht der Suchtberater über schwierige Lebenssituationen von Aussiedlern, jugendliche Selbstfindung und die Promillegrenze in Russland.

„Die Statistik der Suchtkranken unter Aussiedlern ist mehr als traurig“, sagt Nikolai Fomitschow. Während die Russischsprachigen etwa fünf Prozent der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, machten sie zum Beispiel 2005 zwölf Prozent der Sucht- und Drogentoten aus. „Das heißt, die Sterblichkeit ist zweimal höher als sonst in Deutschland“, betont der Psychologe.

Stimmt also das Vorurteil, dass „die Russen“ grundsätzlich mehr trinken? Der Psychologe schüttelt entschieden den Kopf. „Die Anzahl der echten Russen ist relativ gering“, sagt Fomitschow. Es sei vielmehr angebracht, über „russisch sprechende

Persönliche Krisen können jeden treffen – unabhängig von der Nationalität.

Menschen“ zu sprechen. Denn „wir alle sind über verschiedene Wege nach Deutschland gekommen“, als Aussiedler, Spätaussiedler und Kontingent Flüchtlinge. Viele „Russen“ kommen tatsächlich aus Kasachstan, Kirgisien oder Tadschikistan, Ukraine. Entsprechend vielfältig ist der kulturelle Hintergrund schon allein, was die Religionszugehörigkeit angeht - manche sind orthodox, katholische, evangelische andere jüdischen Glaubens, einige sind Moslems.

„Drogen und Alkohol, waren in Russland nie und sind auch jetzt nicht etwas, was Überlegenheit oder Wohlstand demonstriert“, betont Fomitschow. „Wodka trinken ist keine russische Tradition.“ Er persönlich kenne zum Beispiel viele Russen, die Wein trinken.

Der Psychologe verweist darauf, dass Krisen wie Beziehungsprobleme, der Tod eines geliebten Menschen oder ein Umzug unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit jeden Menschen treffen können. Wer dann keine inneren Reserven habe und keine Unterstützung durch die Familie erfahre, versuche oft, seine Probleme mit Hilfe der Suchtmittel zu lösen.

Fomitschow würde deshalb keine nationale Unterscheidung treffen, sondern verweist lieber auf das Bildungsniveau der Menschen. So gebe es auch in der ehemaligen Sowjetunion große Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung. „Familien leben oft noch sehr traditionell.“

Ist der Mann nach dem Umzug nach Deutschland arbeitslos und die Frau verdient das Geld, „kann es Probleme im Selbstverständnis geben.“ Wer in Russland ein guter Schlosser war, findet hier nicht unbedingt Arbeit, weil Ausbildungsgänge oft nicht anerkannt werden. „Das ist schlecht für das Selbstbewusstsein“, sagt Fomitschow.

Älteren Menschen fällt es oft schwer, sich an das neue Umfeld in Deutschland zu gewöhnen. Doch auch Jugendliche hadern mit ihrer Situation: Oft wurden sie im Alter zwischen 12 und 17 „wie ein Koffer“ ungefragt nach Deutschland mitgenommen. Hier wissen sie oft nichts mit ihrer Freizeit anzufangen, sagt der Psychologie. Der Wunsch schnell neue Freunde zu finden, sich in die bestehende Gruppierungen zu integrieren wird einer Lebensaufgabe. Es sei schwierig, sich dann von den anderen „Russen“ abzugrenzen. „Wenn die jungen Leute sich hier treffen, dann spielt es keine Rolle, woher aus der ehemaligen Sowjetunion die anderen kommen.“ Sie haben einen ähnlichen Hintergrund und kommunizieren in einem eigenen, verballhornten „Pidgin-Deutsch“. Oft werden nur aus Trotz verschiedene Straftaten begangen. Dass sich Jugendliche an einer Tankstelle oder auf dem Parkplatz eines Supermarktes treffen, um dort gemeinsam zu trinken,

Die Betroffenen benötigen Hilfe von jemandem, der ihre Sprache spricht. 

gebe es so in Russland nicht, betont Fomitschow. Und merkt an: Es gebe auch Jugendliche, die trotz mangelnder Aufmerksamkeit von den Eltern gute Noten haben, studieren, versuchen ihre Eltern finanziell zu unterstützen, und ihr Taschengeld zu verdienen.

„Manche Menschen versuchen dramatische Einschnitte in ihrer Biographie, wie eben eine Umsiedlung, oder andere Probleme mit Hilfe der Suchtmittel zu lösen“, erläutert der Psychologe. Während die Jüngeren eher Drogen nehmen, haben die Älteren „Russen“, mit denen er zu tun hat, eher ein Alkoholproblem. „Viele glauben, selbst damit klarzukommen“, sagt er. Auch liege es in ihrer Mentalität, sich nicht zu beklagen und nicht um Hilfe zu bitten, oft werden Probleme unter den Teppich gekehrt. Bis die Probleme den Familie über den Kopf wachsen.

In Kasachstan und Russland gilt übrigens die 0,0 Promille-Grenze und wer mit Alkohol am Steuer erwischt wird, muss hohe Strafen zahlen. Die in Deutschland nach Alkoholdelikten vorgeschriebene medizinischpsychologische Untersuchung (MPU) findet Fomitschow besonders wirksam. „Viele trinken und denken nicht“, sagt er. In seiner Selbsthilfegruppe geht es darum, zunächst ein Jahr keinen Alkohol zu trinken. Etwa zehn Betroffene treffen sich regelmäßig, vor allem Männer zwischen 26 und 70 Jahren suchen Hilfe. Fomitschow zeigt Aufklärungsfilme auf russisch. Der Austausch zwischen den Betroffen sei wichtig, manche trinken weiterhin nicht. „Zwei haben inzwischen sogar aufgehört zu rauchen“, sagt er. „Wenn die Männer aufhören zu trinken, ist das auch besser für die Familie.“

Dabei sei es wichtig, dass die Betroffenen eine Beratung in ihrer Sprache erhalten. „Es ist sehr wichtig, damit derjenige, der eine Hilfe benötigt, sieht, dass man ihn verstehtim weitesten Sinne dieses Wortes“, sagt der Psychologe. Nach seiner Ankunft in Deutschland, war er angenehm überrascht, dass es hier Kliniken für russischsprachige Drogenabhängige gibt. „Ich denke, diese Lösung ist richtig“, sagt er. „Zunächst müssen wir den Menschen heilen, ihm bei seinen Problemen helfen, und dann mit Fragen seiner Integration uns auseinander setzen“. (tnc)

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